Texte, die bleiben
erschienen in: markt + wirtschaft (heute: IHKplus) 1/2007
ausgezeichnet mit dem Journalistenpreis „BlaueBoje – Wirtschaft vor Ort“
Unternehmensarchive. Das Rheinisch-Westfälische Wirtschaftsarchiv zu Köln (RWWA) feierte am 14. Dezember seinen 100. Geburtstag. Das erste regionale Wirtschaftsarchiv der Welt sichert die Quellen wirtschaftlichen Handelns und leistet damit nicht nur einen wichtigen Beitrag zur historischen Forschung: Mit dem Wissen über die bisherige Entwicklung im Hinterkopf, können Unternehmer neue Ziele deutlicher stecken und Irrwege vermeiden. „markt + wirtschaft“ gratuliert zum Jubiläum, stellt außer dem RWWA weitere bedeutende Unternehmensarchive der Region vor und zeigt, dass diese wenig mit staubigen Akten und viel mit ganz aktueller Unternehmenskultur zu tun haben.
Tosca, Rosa und Carmen kommen langsam aber kontinuierlich voran. Meter für Meter fressen sich die drei Tunnelbohrmaschinen durch den Untergrund der Stadt Köln, um die Röhren der künftigen Nord-Süd-Stadtbahn zu erzeugen. Tosca, Rosa und Carmen sind hart im Nehmen. Ihre Schneidräder mit einem Durchmesser von mehreren Metern bewältigen Erdreich und Gestein von zwei Jahrtausenden. Probleme würden ihnen jedoch alte, stillgelegte Strom- und Gasleitungen oder alte Wasserbrunnen bereiten, wenn diese eine bestimmte Größe überschritten. Da trifft es sich gut, dass die Kölner RheinEnergie AG ein akribisch geführtes historisches Archiv unterhält. „Große Rohre bleiben, wenn sie eines Tages nicht mehr benötigt werden, in der Regel im Erdreich liegen“, erzählt Birgit Becker. Die Archivarin in Diensten der RheinEnergie hat im Archiv des Unternehmens alte Pläne gefunden, auf denen sämtliche Altleitungen verzeichnet sind. „Diese kommen den Kölner Verkehrs-Betrieben nun zu gute!“
Szenenwechsel: Sommer 2000, Dreharbeiten zu „Die Manns“, einem TV-Dreiteiler über Thomas und Heinrich Mann und deren Familien. Für das tragische Ende von Klaus Mann, der sich in Cannes das Leben nahm, sucht das Filmteam dringend Originalrequisiten – unter anderem eine Schachtel des Schlafmittels Veronal in Vierzigerjahre-Optik. Da trifft es sich gut, dass auch die Bayer AG ein akribisch geführtes historisches Archiv unterhält. Dessen Leiter, Michael Pohlenz (siehe auch Interview Seite 16), ist nämlich nicht nur Herr über Millionen von Dokumenten, Fotos und Filmen, sondern auch Tausende von Exponaten. „Wir konnten dem WDR-Team helfen, unser Archiv enthält eine umfangreiche Sammlung an Originalpackungen von Bayer-Produkten!“
Ein Preis, der die Interessen aller berücksichtigt
erschienen in: BANKSPIEGEL (Magazin der GLS Bank) 1/2019
Seit über 30 Jahren steht die LANDWEGE eG in Lübeck für Kooperationen zwischen Erzeugern und Verbrauchern. Und für eine andere Art des Wirtschaftens. Eine Landpartie mit Vorstand Tina Andres.
Der Zug nähert sich dem Lübecker Hauptbahnhof. Ankunft in der Stadt des Marzipans. Der Stadt der Hanse. Und der Stadt eines bemerkenswerten Netzwerkes. Nicht so weltumspannend wie die Hanse vor einigen Jahrhunderten, dafür jedoch mit dem Anspruch, die Region hier ein Stück besser zu machen. Einen kurzen Fußweg hinter dem Bahnhof hat es seinen Sitz. Aus einem Gebäude mit schöner Jugendstilfassade steuern Tina Andres und Klaus Lorenzen, sie seit 14, er seit 26 Jahren, die Geschicke EVG Landwege eG. Die beiden bilden den geschäftsführenden Vorstand der Genossenschaft und damit eines Unternehmens mit fast 140 Beschäftigten und Millionenumsatz. Es betreibt in Lübeck und Bad Schwartau fünf Biomärkte, eine Verarbeitungsküche und seit Anfang 2019 die Biobäckerei Freibackhaus auf der Lübecker Altstadtinsel. LANDWEGE eG ist in vielerlei Hinsicht ein typischer mittelständischer Betrieb. In wesentlicher Hinsicht aber auch nicht. Davon handelt diese Geschichte.
Ab aufs Land — und ins Jahr 1987
Tina Andres hat mich zu einer Landpartie eingeladen. Nach knapp fünf Kilometern biegen wir links auf einen unbefestigten Weg ab, ein Schild weist zum Ringstedtenhof. Andres parkt den weißen Kleinwagen mit dem grünen Logo von StattAuto Carsharing zwischen einem Schafstall, den gerade einige Schulkinder ausmisten, und einer großen, zu Büro- und Lehrräumen umgebauten Scheune. Die Schafe blöken, die Kinder lachen, die Sonne scheint.
Das Slow Food
in der
Kindermusikbewegung
erschienen in IHK-Journal, Koblenz, 09-10/2023
Corona, Spotify & Co. – die Entwicklungen der vergangenen Jahre stellten die Fidula-Verlag Holzmeister GmbH in Emmelshausen vor Herausforderungen. Dennoch behauptet sich der kleine Musikverlag in seiner Nische und feiert dieses Jahr 75-jähriges Bestehen.
Der Herbst, der Herbst, der Herbst ist da //
Er bringt uns Wind, hei hussassa!
Noch ist Sommer, trotzdem: Warum nicht mal mit einem Kinderlied beginnen? Einem, das viele Leserinnen und Leser kennen dürften, die Kinder haben oder sich noch lebhaft an die eigene Kindheit erinnern.
Vor gut 60 Jahren veröffentlichte der Fidula-Verlag, damals noch mit Sitz in Boppard, das Lied, das seitdem jeden Herbst in Kindergärten und Familien gesungen wird und immer noch zum Programm gehört. Die Rechte liegen nach wie vor bei dem Verlag, den Johannes Holzmeister 1948, also vor 75 Jahren, gründete.
Die Geschichte des Unternehmens ist ein bisschen auch eine Geschichte des Singens und Musizierens in Deutschland. Zunächst lag der Programmschwerpunkt von Fidula bei geistlicher Chorliteratur, doch kamen schon bald Noten mit Kinderliedern dazu. Aber auch Aufnahmen, denn Fidula ist nicht nur Verlag, sondern auch Musiklabel. „Seit vielen Jahren wird allerdings privat viel weniger gesungen und musiziert“, erzählt Katharina Holzmeister, Enkelin des Gründers und seit 2012 Geschäftsführerin.
Dafür wurde in Kindergärten und Grundschulen Musikpädagogik immer wichtiger, erst recht mit Einführung von Nachmittagsunterricht und Ganztagsbetreuung.
Deutschland verändern
erschienen in DIE WIRTSCHAFT 04/23, Bonn
woodify pachtet Waldflächen – und überlässt sie dann weitgehend sich selbst. Aus Nutz- werden so Klimawälder, die zusätzliches Treibhausgas binden. Damit wiederum können Unternehmen, die von woodify Zertifikate erwerben, dem Klima für ihren unvermeidbaren CO2-Ausstoß etwas zurückgeben. Das Bonner Start-up hat sich viel vorgenommen.
Der Bus erreicht den Waldparkplatz in der Nähe von Alfter. Die 45 Beschäftigten der Zukunft GmbH steigen aus und schultern ihre Rucksäcke. Nach einer kurzen Begrüßung durch Dr. Anselm Schneider, der die Gruppe begleiten wird, geht‘s los zum Betriebsausflug in den Wald. Aber nicht in irgendeinen Wald. Sondern in den Firmenwald der Zukunft GmbH. Bei einer zweistündigen Wanderung erfahren die Mitarbeitenden des mittelständischen Betriebs viel über Wälder, Forstwirtschaft und mangelnde Nachhaltigkeit. Und darüber, was in „ihrem“ Wald anders ist.
Die Zukunft GmbH und „ihren“ Firmenwald gibt es nicht. Noch nicht, muss man hinzufügen, denn wenn es nach Dr. Anselm Schneider geht, werden bald mehr und mehr Unternehmen den Charme eines „eigenen“ Waldes für sich entdecken und durchaus auch mal die Belegschaft durch den „eigenen“ Wald führen. Schneider ist einer der Gründer und Geschäftsführer der woodify GmbH in Bonn. Wie seine Mitgründer Marc Weppler, Nils Reinhardt und Björn Clüsserath ist er überzeugt davon, dass der Klimawandel eine der größten Herausforderungen der Menschheit ist und wir alle deshalb unsere Art zu leben und zu wirtschaften grundlegend umgestalten müssen. Neu gedachte Klimaprojekte vor der Haustür gehören dazu.
Transformation durch Innovation – Erfolgsgeschichten aus NRW
erschienen auf nrwinnovativ.de
Viele Millionen Menschen in Deutschland nutzen inzwischen Smartwatches. Zusammen mit einer App-Entwicklung aus NRW könnten diese Uhren künftig dabei helfen, Herzrhythmusstörungen frühzeitig zu erkennen, ein digitales EKG zu schreiben und dieses von Fachärztinnen und -ärzten begutachten zu lassen. Die App „smartcor“ ist eine Erfindung der novadocs GmbH aus Bad Oeynhausen, die dafür bereits mit einem bundesweiten Preis ausgezeichnet wurde.
Die Herausforderung
Über zwei Millionen Menschen in Deutschland leiden an Vorhofflimmern, einer Herzrhythmusstörung, bei der das Herz unregelmäßig und zu schnell schlägt. Viele von ihnen merken das lange nicht. Das Problem: Diese Beschwerden erhöhen das Risiko für einen Schlaganfall. Bisher konnte das nur erkannt werden, wenn Menschen mit entsprechenden Auffälligkeiten zu einem Arzt oder einer Ärztin gingen und ein EKG geschrieben wurde. Zwar wird Menschen ab einem bestimmten Alter empfohlen, regelmäßig den Puls zu kontrollieren. „Das ist aber immer nur eine Momentaufnahme“, betont Dr. Christian Flottmann, Kardiologe im Lukas-Krankenhaus Bünde in Ostwestfalen. Er hätte am liebsten für alle Menschen, bei denen die Gefahr von Herzrhythmusstörungen besteht, eine Art digitales Screening, also eine permanente Kontrolle. Und so tat er sich mit seinem früheren Schulfreund Stephan Garl, Projektmanager und Marketingspezialist, zusammen und entwickelte die Kernidee für eine entsprechende App. Anschließend suchten und fanden die beiden mit dem Software-Entwickler und Unternehmer Daniel Zenz einen IT-Profi und gründeten gemeinsam die novadocs GmbH in Bad Oeynhausen.
Die Innovation
Die Erfindung von novadocs: smartcor, eine digitale App zur Schlaganfallprävention. In Kombination mit sogenannten Smartwatches entfaltet sie ihre Wirkung. Über den Lichtsensor einer Smartwatch kann nämlich nicht nur der Puls gemessen, sondern auch der Kapillarblutfluss, also der Blutfluss in kleinen Adern, ermittelt werden. So werden auch Rhythmusstörungen erfasst, und zwar unabhängig von sichtbaren Symptomen. Wird über den Algorithmus der Uhr festgestellt, dass Unregelmäßigkeiten vorliegen, kann der Nutzer oder die Nutzerin mit der Uhr selbst ein EKG anfertigen. Dieses wird per App zusammen mit einem standardisierten Fragebogen einfach und sicher zur Bewertung an eine Kardiologin oder einen Kardiologen übersendet. Die zeitnahe fachärztliche Auswertung des per Smartwatch und „smartcor“-App erhobenen EKGs gehört zum Service von novadocs. Flottmann und seine beiden Mitstreiter möchten sicherstellen, dass das Auftreten von Vorhofflimmern bei immer mehr Menschen frühzeitig erkannt, ein Schlaganfall vermieden und die Störung bestmöglich behandelt wird. „Denkbar ist auch, dass Menschen, die etwa wegen Diabetes, Bluthochdruck oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen besonders gefährdet sind, aber keine Smartwatch nutzen, für 3-6 Monate ein Gerät ausleihen können, um ein längerfristiges Screening zu ermöglichen“, erklärt Flottmann.